Die
Zeit vor 1933 Iim Zeichen einer immer kritischer
werdenden Wirtschaftsnot wurden seit dem Sommer 1929 im Landkreis Flensburg
zwar verstärkt Stimmen laut, die mit den Argumenten der nationalistischen,
antirepublikanischen Verbände nach vollständiger Beseitigung der bestehenden
Ordnung riefen, aber trotzdem war die Bevölkerung Angelns von allen landwirtschaftlich
geprägten Gebieten in Schleswig-Holstein die jenige , die sich wohl am
spätesten für den Nationalsozialismus als zugänglich erwiesen hat.
Die Resonanz der Flensburger
Landbevölkerung auf Kundgebungen der Landvolkbewegungen im Spätsommer 1929 war aber
bereits außerordentlich groß.
Unterstützt von örtlichen
Stahlhelmgruppen fanden sich in den Versammlungen in Husby (4. Juli),
Stenderupau (21. August), Sterup (23. August) und Gelting am 24. August nach
Berichten der Polizeibehörden jeweils 350 bis 500 Personen ein, die die
radikalen Angriffe gegen den Weimarer Staat begeistert aufnahmen.
Trotzdem gab es Ende 1929 in Gelting
nur ein NSDAP-Mitglied und dies gehörte damals noch zur Ortsgruppe Langballig.
Zunächst änderte sich an der Mitgliederzahl der NSDAP auch nur sehr wenig, denn
im östlichen Teil des Landkreises Flensburg, dem Angeliter Raum, hatten die
Nationalsozialisten auch bis 1931 kaum Erfolg. Dies lag sicherlich vor allem
darin begründet, dass sich hier die wirtschaftliche Situation der Bauern in
diesem Zeitraum noch nicht so dramatisch verschlechtert hatte, wie z.B. in der Geestregion.
Aber auch die „sozialen
Schichtungsverhältnisse“ stellten für den Aufstieg der Hitlerbewegung lange
Zeit ein Hemmnis dar. Die bäuerliche Gesellschaft Angelns war wesentlich
stärker als die der Geest ständisch gegliedert. Während man in den ärmlichen
Gemeinden der Schleswiger und Flensburger Geest keine Standestrennung im
geselligen Leben kannte, hielten sich in Angeln bei geselligen Zusammenkünften
die Bauern, Kätner, Arbeiter und Handwerker meist voneinander getrennt. Zwar
gab es einige wenige Anlässe, wie
beispielsweise Hochzeitsfeiern oder Begräbnisse, bei denen man zusammen
diskutierte, aber trotz allem war man immer darauf bedacht, eine gewisse
Distanz zu wahren.
In Ostangeln gehörten der NSDAP
zunächst fast ausschließlich Handwerker und sogenannte „kleine Leute“ an. Allein schon aufgrund dieser anfänglichen
sozialen Zusammensetzung der NSDAP-Gruppen hielten sich viele ständisch
denkende Bauern Angelns von der vielfach als Arbeiterpartei mit sozialistischem
Einschlag betrachteten Hitlerbewegung fern.
Auch mag bei dem relativ geringen
Interesse der Angeliter Bevölkerung an der NSDAP bis zur Jahreswende 1931 /
1932 die Mentalität eine gewisse Rolle gespielt haben. Die Angeliter Bauern waren
ihrem ganzen Wesen nach eher vorsichtig, zurückhaltend und bedächtig. Die
Bevölkerung Ostangelns stand Neuerungen und Veränderungen, sei es bei der
Einführung neuer Produktionstechniken in der Landwirtschaft oder aber bei aufstrebenden,
bis dahin nicht bekannten politischen Strömungen zunächst immer skeptisch
gegenüber. Die Nationalsozialisten besaßen daher im östlichen Teil Angelns bis
1932, als durch den Sturz der Milch- und Getreidepreise auch hier die
wirtschaftliche Krise immer stärker fühlbar wurde, nur wenig Einfluss.
Alle drei Faktoren, die
wirtschaftliche Situation, das ausgeprägte Standesbewusstsein und das
zurückhaltende, Gewalt ablehnende, maßhaltende Wesen der Angeliter dürften
zusammengenommen gegenüber dem Nationalsozialismus lange Zeit für dieses
vorsichtige Verhalten gesorgt haben.
Die letztlich entscheidende
Voraussetzung für die nationalsozialistischen Erfolge in Schleswig-Holstein war
unbestreitbar die seit 1929 immer schwieriger werdende wirtschaftliche Lage der
Bevölkerung. Von dieser Entwicklung waren die Angeliter Bauern im Gegensatz zu
den Standesgenossen an der Westküste der Provinz allerdings zunächst noch nicht
in dem gleichen Maße betroffen. Die Landwirtschaft gestaltete sich in Angeln
vergleichsweise vielseitig; die Einnahmen verteilten sich fast gleichmäßig auf
die Milchwirtschaft, den Getreideanbau und die Viehzucht. Sie war aufgrund dieser Struktur in
wirtschaftlichen Krisenzeiten weit weniger anfällig, und so trat In Angeln eine
spürbare Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage erst 1931 bzw. 1932 mit dem
Sinken der Milch- und Getreidepreise ein. Jetzt erst kam die NSDAP, die sich in
den Jahren zuvor hier nur auf eine kleine Anhängerschaft stützen konnte, auch
im östlichen Teil des Landkreises Flensburg zu größeren Erfolgen.
Nun war der Aufstieg der NSDAP in
Ostangeln nicht mehr aufzuhalten. So hatte Gelting im November 1931 bereits 26
NSDAP-Mitglieder und 18 SA-Mitglieder. Nur unwesentlich stieg die Anzahl der
NSDAP-Mitglieder bis November 1932 von 26 auf 32 und die der SA blieb mit 18
unverändert.
Zunächst entwickelte sich der
Mitgliederanteil im benachbarten Schwackendorf moderat. 1931 gab es dort 28 Mitglieder der NSDAP und vier
der SA.
Aber bis November 1932 stieg die
Anzahl der NSDAP-Mitgieder erstaunlich stark, von 28 auf 68 an, ebenso wie die Anzahl der SA-Mitglieder
von 4 auf 28.
InStenderup bei Gelting waren 1932 erstmals 27 NSDAP-Mitglieder und 9
SA-Mitglieder organisiert.
Auch Rabenholz hatte 1932 erstmals
NSDAP- und SA-Mitglieder zu verzeichnen. 28 Personen gehörten der NSDAP und 12
der SA an.
- *Quelle:: Schriften der Gesellschaft
für Flensburger Stadtgeschichte von 1986 Titel: DER AUFSTIEG DER NSDAP IM STADT
UND LANDKREIS FLENSBURG
In diesen Jahren war Gelting ein Dorf
von Bauern, Arbeitern und Handwerkern. Für alle wurde die wirtschaftliche Lage
von Jahr zu Jahr immer schwieriger. Arbeit war kaum noch zu bekommen und der
wirtschaftliche Rückgang erfasste nun auch die einheimische Bevölkerung.
Konnten die selbständigen Handwerker noch hin und wieder Aufträge herein bekommen, so verloren aber die Arbeiter
reihenweise ihre Arbeitsplätze und viele Bauern waren hoch verschuldet.
Da war es nicht verwunderlich, dass
die Unzufriedenheit immer weiter anstieg. In
diese Zeit fiel das 35. Gauturnfest des Schleswig-Holsteinischen Nordgaues im
Jahre 1931. Trotz aller Sorgen und Nöte gab es
auch freudige, schöne Ereignisse in der Region Ostangeln. Nach 1921
veranstaltete Gelting im Jahr 1931 zum zweiten Male ein Gauturnfest des
Schleswig-Holsteinischen Nordgaues.
Am 4. und 5. Juli 1931 war es soweit! Über
1000 Turnerinnen und Turner aus dem Nordgau, einschließlich vieler Teilnehmer
aus Nordschleswig beteiligten sich an dieser Großveranstaltung. Turnvereine aus
ganz Angeln, Schwansen, Flensburg und Schleswig waren neben Vereinen aus
Tondern, Hadersleben, Lügumkloster, Rapstedt, Gravenstein, Sonderburg und
Apenrade in Gelting zu Gast!
Dieses Fest wurde zu einem vollen
Erfolg und der Einfluss der NSDAP war trotz ihres Aufschwungs noch nicht sehr
groß.
Über
das Gauturnfest war am 6. Juli 1931 im Schlei-Boten sinngemäß zu lesen: Das Turnfest gestaltete sich zu einer
machtvollen Kundgebung für das deutsche Turnen und für die Deutsche
Turnerschaft und zu einer glänzenden Demonstration der Vereine des Nordgaues.
Schon am Sonnabendnachmittag setzte
der Zustrom der Turner und Turnerinnen ein. Lastwagen und die Kreisbahn
brachten stattliche Scharen von Sportlern und Sportlerinnen nach Gelting.Die
Geltinger Dorfstraße bot ein buntbewegtes Bild, über allem lagerte frohe
Festesstimmung.
Die Verantwortlichen Herren der
Ausschüsse mußten alle Kräfte anspannen, um die zahlreichen Gäste Geltings in
ihren Quartieren unterzubringen. Der Massenbesuch, den Gelting sah, ließ
Bedenken aufkommen bezüglich der Raumfrage für den Festabend. Doch auch diese
wurden in geschickter Weise behoben.Im Gasthof Gelting wurde die hintere Wand
der Bühne herausgenommen und dann ein großes Zelt dahinter errichtet. So fanden
die rund 900 Besucher des Festabends gut Platz.
Um die Reden. u.a. auch die vom damaligen MTV-Vorsitzenden Otto Loth , den
“Zeltbewohnern” nahezubringen, hatte man auf dem Rednerpodium auf der Bühne ein
Mikrophon aufgestellt, das das gesprochene Wort auf einen Lautsprecher
übertrug!
Am darauffolgenden Sonntagmorgen noch
vor 6 Uhr, weckten frohe Klänge die schlafenden Turner und Turnerinnen.
Nach freundlicher Bewirtung durch ihre
Quartierwirte zogen die Turner hinaus auf das weite grüne Rund des Festplatzes.
Die Turnertradition, mit Gott den
frohen Kampftag zu beginnen, wurde erfüllt mit der von Pastor Pörksen
gehaltenen Morgenfeier. Danach begannen vor einer großartigen Zuschauerkulisse
die eigentlichen Wettkämpfe.
Über 3000 Besucher und Turner belebten
an diesem herrlichen Sommertag den großen Festplatz. Ein großer Festzug und
eine imposante Siegesfeier rundeten dieses gelungene Gauturnfest ab.
Alles in allem muß man den damaligen Vereinsmitgliedern
des MTV wegen ihrer großartigen organisatorischen Leistung großes Lob
ausgesprochen warden. Aber auch die große Gastfreundlichkeit der Geltinger
Bevölkerung trotz der immer größer werdenden wirtschaftlichen Not war
bewundernswert. Alle zusammen haben ein solch riesiges Sportfest, dass es in
solch einer Form in Gelting nie wieder gab, erst möglich gemacht.
1933
– Das dörfliche Zusammenleben verändert sich Aber knapp zwei Jahre später, als
Adolf Hitler am 30. Januar 1933 Reichskanzler wurde, veränderte sich auch in
Gelting das Zusammenleben innerhalb der Bevölkerung. Am Abend dieses 30. Januar
standen in den Fenstern nahezu aller Häuser in Gelting und Suterballig
leuchtende Kerzen, plötzlich flammte neue Hoffnung auf. Nur die Häuser des Geltinger
Pastors und des Arzt-Ehepaares Dr. Thomsen blieben dunkel, ahnten sie, was
kommen würde?
Die Begeisterung, die 1933 auch Wellen
in Gelting aufwühlte, ließ das ganze Volk, mit wenigen Ausnahmen in Ekstase
geraten, die Begeisterung stieg immer höher. Auch der Geltinger Pastor verfiel
diesem Rausch und beschrieb die Zeit voller Begeisterung in der Geltinger
Kirchenchronik.
Das Erntedankfest 1933 war ein Tag,
wie ihn die Geltinger Kirche wohl selten erlebte. Alle Plätze waren besetzt,
die Menschen standen in den Gängen und sogar draußen auf dem Friedhof. Vor der
Kirche wurde die Parade aller Geltinger Vereine und Verbände abgenommen
zugleich wurde auch der Reichspräsident Hindenburg zu seinem Geburtstag geehrt.
Die politische Bewegung drang nun auch
in die Kirche ein, als Bewegung der „Deutschen Christen“ eroberte sie schnell die Macht. Auch in
Gelting traten Kirchenälteste den „Deutschen Christen“, eine rassistische,
antisemitische und am Führerprinzip orientierte Strömung im deutschen
Protestantismus, bei. Der Geltinger Pastor sowie einige Kirchenälteste jedoch
gehörten zu der „Bekennenden Kirche“, einer Oppositionsbewegung evangelischer
Christen gegen Versuche einer Gleichschaltung von Lehre und Organisation der
Deutschen Evangelischen Kirche in der Zeit des Nationalsozialismus. Vorläufig
verhielten sich beide Parteien noch zurückhaltend.
Eine erste Veränderung gab es aber mit
der Auflösung des Handels- und Gewerbevereins Gelting. Bis dahin gehörte die Organisation des
Fremdenverkehrs und die Betreuung der Feriengäste zu seinen Aufgaben. Nun aber übernahm die NS-Gemeinschaft „Kraft
durch Freude“ diese Aufgabe. Viele Gäste, vornehmlich aus Berlin, Bayern
und dem Rheinland, kamen mit Bus und Bahn in den Geltinger Raum, um hier ihre
Sommerferien zu verbringen. Bei deren Empfang und auch bei deren Abschied gab
jeweils ein Fest mit Tanz und Grog.
*Quelle: Archiv Gelting – Geschichte
des Handels- und Gewerbevereins Gelting
Ende des Sommers 1932 begannen die
Arbeiten des Arbeitsdienstes im Hauptentwässerungsgraben und am Schöpfwerk auf
der Geltinger Birk. Bis ins Jahr 1935 hinein wurde das vorhandene
Entwässerungssystem weiter verbessert, um die Rentabilität der
landwirtschaftlichen Nutzflächen zu erhöhen. Wurde der Arbeitsdienst zunächst
weiterhin freiwillig verrichtet, so stand er in der Folgezeit immer mehr unter
NS-Einfluss und wurde mit Gesetz vom 26. Juni 1935 zum Zwangsdienst für
männliche Jugendliche zwischen 18 und 25 Jahren. Entstanden war damit der
Reichsarbeitsdienst.
*Quelle: Geschichte der Geltinger Birk
von……
1934
- Gelting bekommt einen neuen Pastor Im Jahr 1934 kam als neuer Pastor
Wolfgang Miether nach Gelting, der klar den Kurs der „Bekennenden Kirche“ steuerte. Schon im ersten Jahr seines Wirkens
gelang es ihm, die gesamte Geltinger Kirchenvertretung, einschließlich des
Ortsgruppenleiters Martin J. zu bewegen,
der „Bekennenden Kirche“ beizutreten.
Miethers Worte waren damals: „Wir
lassen damit die Gemeinde wissen, dass wir den Weg der „Deutschen Christen“ als
Irrweg ansehen…..“
„Wir wollen wieder ganz Kirche sein….“
„Die Mitglieder des Kirchenvorstandes
und der Kirchenvertretung sind hinfort Träger des Kampfes um die „Bekennende
Kirche….“
Doch nun drang von außen her der Kampf
gegen Pastor und Kirche, der sogenannte Kirchenkampf, in die Geltinger Gemeinde
ein. Bibelstunden in Schulen und Privathäusern, Konfirmandenrüstzeiten,
Strandgottesdienste, Missionsfeste und kirchliche Jugendarbeit wurden erschwert
und oft sogar verboten.
*Quelle: Bericht von Pastor Martin
Pörksen, Pastor in Gelting von 1930 bis 1934 (Kirchspielchronik II Gelting)
Feier
des 1. Mai 1934 Im Frühjahr 1934 bereitete sich die
euphorisch gestimmte Bevölkerung auf die Feier des 1. Mai vor. Wie in allen
deutschen Gauen, so hatte auch Gelting sich gerüstet, den nationalen Feiertag
aller schaffenden Deutschen, den 1. Mai, festlich zu begehen. Schon in den
frühen Morgenstunden war man überall mit den Vorbereitungen für den geplanten Festumzug
beschäftigt. Um neun Uhr am Morgen versammelte sich die Schuljugend auf dem
Schulplatz in Gelting, um die Übertragung der Jugendveranstaltung im Berliner
Lustgarten zu hören. Anschließend fand in der Kirche ein feierlicher
Gottesdienst statt. Am frühen Nachmittag sammelten sich alle Volksgenossen des
Geltinger Kirchspiels sowie auch aus Kronsgaard in ihren Dörfern, um dann
gemeinsam mit ihren Festwagen den Geltinger Festplatz zu erreichen, wo der
Festzug nach Berufsgruppen unter der Leitung des Ortswarts der NS-Gemeinschaft
„Kraft durch Freude“ zusammengestellt wurde.
Den überwiegenden Teil stellten die
Bauern und Landarbeiter, die in drei Abteilungen hinter ihren Festwagen, in ihrem Arbeitsanzug marschierten. Danach
folgten viele Wagen, mit Veteranen der Arbeit besetzt.
Den Festzug eröffnete ein von vier
Jungen gezogener römischer Rennwagen, gefolgt von zwei Herolden, jeweils ein
SA.-Mann und ein Arbeiter zu Pferde.
Der Spielmannszug des Sturmbanns
IV/215 gab den Marschtakt an. Es folgten die Fahnenabordnungen der SA., des
Reitersturms, Motorsturms, Marinesturms und der Deutschen Arbeitsfront. Danach
waren die Vertreter verschiedener Berufsgruppen angetreten, wie Bäcker,
Bauhandwerker, Klempner, Elektriker, Gastwirte, Fischer, Maler, Müller, Schlachter,
Maschinenbauer, Schmiedehandwerker, Schneider, Schuster und Tischler. In diesen
großen Umzug hatten sich auch Lehrer, Sattler, Stellmacher, Friseure, Gärtner,
Schornsteinfeger, Uhrmacher und was sonst noch an Berufen vertreten war,
eingereiht.
Eine Gruppe Arbeiter und Turner
versinnbildlichten mit ihren mitgeführten Plakaten den Mahnspruch: „erst die
Arbeit, dann das Spiel“. Die Fahne der Deutschen Turnerschaft leitete über zu
den Festwagen der NSG „Kraft durch Freude“.
Der Gesangverein hatte zwei
Abordnungen mit der Vereins- und Bundesfahne entsandt.
Schließlich marschierten hinter den
Zöllnern die HJ-Fahnenabordnungen, der Bund Deutscher Mädchen, das Jungvolk und
die Jungmädelschaften. Zwei große Transparente machten auf die
Feierabendeinrichtung „Kraft durch Freude“ aufmerksam.
*Quelle: Artikel des Schlei-Boten vom
Mai 1934
1936
- Der Kirchenkampf in Gelting weitet sich aus Die Schikanen gegen den Geltinger
Pastor gingen immer weiter. Eine NS-Schwester wurde neben der Flensburger
Diakonisse, Schwester Pauline, in Gelting eingesetzt. Seine Predigten wurden
abgehört, die Flensburger Gestapo war oft in Gelting tätig, aber die Geltinger
Kirchengemeinde hielt zu ihrem Pastor. Im Jahr 1936 versuchte der
stellvertretende Gauleiter in Kiel über den „Reichs- und Preußischen Minister
für die kirchlichen Angelegenheiten“ eine
Versetzung Pastor Miethers zu erreichen.
Inzwischen hatte sich auch das
Verhältnis zum Ortsgruppenleiter Martin J. immer schwieriger gestaltet, so dass
diesem vom Geltinger Kirchenvorstand nahegelegt wurde, aus dem Kirchenvorstand
auszutreten. Dieser aber legte beim Kreis in Flensburg und beim Gau in Kiel
Beschwerde ein, mit der Folge, dass die Kirchenältesten als Feinde der
NS-Regierung hingestellt und aus der Partei ausgeschlossen wurden. Dem Lehrer
Voß wurde schließlich die Mitarbeit am „Breklumer Sonntagsblatt“ verboten.
Die Schwierigkeiten zwischen der
Geltinger Kirchengemeinde und den politischen Kräften wuchsen immer weiter.
Miethers unermüdlicher Kampf gegen die „Deutschen Christen“ und für die
„Bekennende Kirche“ rief die für für die nationalsozialistische Bewegung
verantwortlichen Männer auf den Plan. Da Pastor Miether in der Probstei
Nordangeln, ja weit darüber hinaus, ein führender Mann für die „Bekennende
Kirche“ geworden war, war es verständlich, dass der Kampf gegen ihn von Jahr zu
Jahr härter wurde.
*Quelle: Bericht von Pastor Martin
Pörksen, Pastor in Gelting von 1930 bis 1934 (Kirchspielchronik II Gelting)
So musste er oft mit ansehen, dass an
Sonntagvormittagen, wenn Gottesdienst war, das Jungvolk und die Hitlerjugend vor dem Gasthof Gelting, direkt
gegenüber der Kirche, zum Dienst antreten mussten. Dort standen sie in Uniform
mit Fahnen, Wimpeln und Trommeln und sahen ihren Pastor in Amtstracht in die
Kirche zum Gottesdienst gehen. Es war sicherlich kein Zufall, dass der
Jungvolk- und HJ-Dienst zu genau dieser Zeit angesetzt wurde.
*Quelle: „Der komische Jahrgang
(1924)“ von Hans Lorenzen, Stenderup (erschienen in der kleinen Schriftenreihe
des Heimatvereins der Landschaft Angeln)
Kindheitserinnerungen Wie
die Kinder und Jugendlichen in der damaligen Zeit die Entwicklungen wahrnahmen,
erzählte Hans Lorenzen aus Kronsgaard in seinen Kindheitserinnerungen:
Zu
Kriegsbeginn überquerten regelmäßig tief fliegende militärische
Transportmaschinen vom Typ „JU 52“ das Ostangelner Gebiet. Immer neun Flugzeuge flogen in einer Gruppe,
beladen mit Soldaten und Waffen in Richtung Dänemark und Norwegen. Den ganzen
Tag über gingen die Flüge in Richtung Norden, an die sich die heimische
Bevölkerung so allmählich gewöhnte, es war eben Krieg, das wusste man. Vor
allem wir Jungen kannten mit der Zeit alle vorüber fliegenden Flugzeugtypen aus
den vielen Broschüren, die in der damaligen Zeit überall verteilt wurden. Diese
Broschüren sollten die Jugend für den Krieg begeistern.
Auch
die auf der Ostsee vor der Angelner Küste fahrenden Kriegsschiffe kannten wir
bald in- und auswendig. Für uns Jugendliche war alles anfangs spannend und
aufregend, dies alles zu beobachten. An die schlimmen Folgen des Krieges
dachten wir am Anfang kaum. Zunächst war es uns auch ziemlich egal, ob es sich
bei den Mitmenschen um Nazis handelte oder nicht, erst später erkannten wir den
Unterschied. Wenn wir ein NSDAP-Mitglied trafen, dann musste der rechte Arm
gehoben werden und klar und deutlich „Heil Hitler“ gerufen werden. Tat man dies
nicht, bekam man einen ordentlichen Rüffel.
Seit
Kriegsbeginn wurden der Bevölkerung die Lebensmittel zugeteilt. Leute, die von der
Landwirtschaft lebten, wurden „Selbstversorger“ genannt. Sie durften einmal im
Jahr ein Schwein von 100 Kilogramm schlachten, aber wer konnte damals schon so
genau wiegen?
Auch
bei den regelmäßig stattfindenden Viehzählungen, die von SA-Männern
durchgeführt wurden, übersah man schon mal ein Tier oder einige Hühner. Zucker
und andere Nährmittel wurden bei den Selbstversorgern zwar drastisch gekürzt
aber Hunger litt man in der Landwirtschaft nicht.
Die
sogenannten „Normalverbraucher“ bekamen hingegen sehr wenig Fleisch, Fett und
Brot, dafür aber umso mehr Zucker und andere Nährmittel.
Mit
zehn Jahren mussten die Jungs in die „Deutsche Jugend“ einer Vorstufe zur
Hitlerjugend eintreten. Es war Pflicht, in der Hitlerjugend eine Uniform zu
tragen aber besorgen konnte man sich keine, es gab einfach keine mehr und es
konnten auch keine mehr hergestellt werden. So musste manchmal die braune
Uniform eines erwachsenen Nachbarn, der zum Militär eingezogen wurde,
ausgeliehen werden.
Wenn Fliegeralarm
war, wurde die Schule geschlossen. Den Schulkindern wurde dann befohlen, dass
sie sich, wenn Tiefflieger auftauchten, in den Sztaßengraben zu verkriechen
hatten, denn diese Tiefflieger griffen auch einzelne Menschen an. Vorsicht war
also stets geboten.
Sportbetrieb während der Kriegsjahre in GeltingDem Aufschwung folgte der Zusammenbruch Das Interesse der
Geltinger Bevölkerung, sich sportlich im Verein zu betätigen, stieg in den
Jahren von 1927 bis 1933 stetig an. Die Mitgliederzahl lag 1932/1933 bei über
zweihundert.
Man traf sich
monatlich zu Veranstaltungen, bei denen der Gesang, der Volkstanz und
heimatliches Brauchtum gepflegt wurden. Ein Stamm tüchtiger Turner und
Turnerinnen übte regelmäßig das Geräteturnen.
Im Sommer wurden
Spiele auf dem grünen Rasen eifrig gepflegt und leichtathletische Übungen
betrieben. Viele Vereinssportler erwarben in diesen Jahren das Turn- und
Sportabzeichen.
Einige
MTV-Vereinsmitglieder besuchten die in Abständen von fünf Jahren stattfindenden
großen Turnfeste, 1928 in Köln und 1933 in Stuttgart. Otto Asmussen, Otto Loth
und Magda Asmussen nahmen in der Deutschen Turnschule in Berlin an
mehrwöchentlichen Kursen teil.
Doch sorgte bald die
allgemeine politische Entwicklung in Deutschland dafür, dass sich immer mehr
Aktive vom Vereinssport zurückzogen bzw. zurückziehen mussten.
Der Einfluss der
damaligen Reichsregierung wurde immer größer und die Selbständigkeit der
Vereine immer mehr beschnitten. Jeder Turnverein wurde verpflichtet, einen
sogenannten „Dietwart“ zu bestimmen, dessen Aufgabe darin bestand, die Turner
und Turnerinnen politisch zu erziehen.
Ab 1933 gingen auf
Druck der N.S.D.A.P. und ihrer Gliederungen fast sämtliche ländlichen
Turnvereine ein. Turnen und Sport sollten auf dem Lande nur noch von der „H.J.“
und der „S.A.“ betreut werden. Es kam auch in Gelting zu ernsten
Meinungsverschiedenheiten und unerfreulichen Reibereien. So mussten die aktiven
MTV-Sportler um ihre Turnstunden in der Geltinger Turnhalle kämpfen, die mehr
und mehr von anderen, politisch gelenkten Verbänden, genutzt wurde.
Aus der
Einheitssatzung des Geltinger Männerturnvereins von 1908 ist die
vorgeschriebene Vereinsideologie gut zu erkennen. Heißt es doch in Paragraph 2
der Satzung: „Der Verein bezweckt die leibliche und seelische Erziehung seiner
Mitglieder im Geiste des nationalsozialistischen Volksstaates durch die
planmäßige Pflege der Leibesübungen, insbesondere des deutschen Turnens im
Geiste Friedrich Ludwig Jahns als eines Mittels zur körperlichen und fittlichen
Kräftigung seiner Mitglieder, sowie durch die Pflege deutschen Volkstums,
deutschen Volksbewusstseins und kameradschaftlicher Gesinnung. Der Verein lehnt
Bestrebungen und Bindungen klassentrennender und konfessioneller Art ab.“
In Paragraph 4 steht
geschrieben: „Mitglieder des Vereins können nur unbescholtene Deutsche werden.
Als Deutsche gelten nur Volksgenossen, deren Eltern und Großeltern Arier sind.“
In Paragraph 5 steht:
„Über die Aufnahme eines Mitgliedes entscheidet der Vereinsführer!“
Die Mitgliederzahl
ging in den Folgejahren dramatisch zurück, so hatte der MTV Gelting am 1.1.1934
noch ganze sechzehn beitragspflichtige Vereinsmitglieder, fünfzehn männliche
und ein weibliches Mitglied.
Ein Jahr zuvor waren
es noch siebenundvierzig Mitglieder, ein Jahr danach, 1935, zählte der Verein
wieder einundzwanzig Sportler, davon sieben Frauen und Mädchen. Der Geltinger
Männerturnverein war einer der wenigen ländlichen Vereine, im Landkreis
Flensburg der einzige, der in stiller, ernster Arbeit durchhielt, sogar in der
späteren Kriegszeit von 1939 bis 1945. Noch 1938 besuchten Geltinger Sportler
das Deutsche Turnfest in Breslau. In den letzten Kriegsjahren turnten dann nur
noch Frauen und übten sich im Faustballspiel.
Bei der Kapitulation
1945 schien alles zerschlagen zu sein, unheimliche Erstarrung und dumpfer Druck
lasteten auf allem, wusste doch jeder einzelne, dass er vor dem Nichts stand.
Der Sportbetrieb
ruhte für einige Monate ganz. Der Sportplatz bei der Schule wurde 1944 in Kleingärten
aufgeteilt und die kleine Turnhalle war den Sommer 1945 hindurch Auffanglager
für Flüchtlinge.
Es war nur gut, dass
viele ältere Mitglieder des Vereins der Turnsache treu blieben.
Wenn man nun auch vor
dem Nichts stand, ein erster Versuch, den Turnverein neu zu beleben, sollte
gewagt werden. Nur war es diesmal noch schwieriger als nach dem Ersten
Weltkrieg. Die Besatzungsmächte wachten streng darüber, dass ja keine
Zusammenschlüsse der Bevölkerung zustande kamen, man fürchtete überall den
alten Geist der Nazis.
*Quelle:
Archivunterlagen des MTV Gelting von 1908
1942 - Bombenabwürfe über Wackerballig Während
der Kriegsjahre überflogen immer wieder feindliche Bomber Ostangeln, zumeist in
Richtung der großen norddeutschen Städte, wie zum Beispiel Kiel oder Hamburg,
um diese zu bombardieren. Obwohl Angeln kein strategisches Angriffsziel
darstellte, kam es doch hin und wieder zu Zerstörungen, sei es durch Abstürze
oder versehentliche Bombenabwürfe.
In
der Nacht vom 24. zum 25. April 1942 kam es zu solch einem Unglück in
Wackerballig bei Gelting. Ein amerikanisches Militärflugzeug hatte bei
Dunkelheit wahrscheinlich die Orientierung verloren und warf dabei sechs Bomben
ab, die den Bauernhof Mencke vollständig zerstörten.
Zunächst
flog das Flugzeug weiter in Richtung Gelting, kehrte aber um und warf noch
weitere Bomben in das brennende Gebäude.
Die
Eigentümerin war zur Zeit des Brandes bei den Eltern in Tolk. Wäre sie zu Hause
gewesen, wäre sie getötet worden, denn eine Bombe fiel direkt in ihr Bett.
Eine
ebenfalls in dem Haus wohnende Frau mit ihren zwei Kindern konnte nur in aller
Eile ihre beiden Kinder und das nackte Leben retten. Ein weiterer Mitbewohner,
der im Obergeschoß der Abnahme schlief, konnte nur sein Leben über die
brennende Treppe retten.
Eine
Familie die in der Abnahme wohnte, konnte man nur durch das Einschlagen der
Fenster retten. In der Zwischenzeit hatte auch das strohgedeckte Abnahmehaus
mit Wagenremise Feuer gefangen. Die Bewohner mit ihren Kindern, retteten auch
nur noch ihr nacktes Leben. Nachbarn, Feuerwehr und Helfer sammelten in den
nächsten Tagen auf den Koppeln am Weg nach Wackerballig etwa 350 Blindgänger
ein. Alle Betroffenen fanden zunächst bei Nachbarn eine Unterkunft. Der
bombardierte Hof wurde zur Zeit des Brandes nicht bewirtschaftet, die Ländereien
waren verpachtet.
*Quelle:
Originalbericht Margareta Matthiesen geb. Mencke, Tochter der Hofeigentümerin
Die
Gesundheitsversorgung im Jahr 1944 Wie es in den Kriegsjahren um die
gesundheitliche Versorgung der einheimischen Bevölkerung aussah, erzählt der
Bericht von Schustermeister Achim Lorenzen aus Stenderup bei Gelting,
aufgeschrieben von Dr. Peter Lüsebrink, Gelting.
Achim Lorenzens Großmutter „Tine“
(Albertine Lorenzen, 20.11.1865 – 9.6.1959) stolperte an einem Samstag 1944 in
ihrer Küche und brach sich ein Bein.
Zur Hilfe kam die damals von
Nationalsozialisten eingeführte Gemeindeschwester aus Gundelsby, Schwester
Gertrude. Gemeinsam trug man Tine, die unter starken Schmerzen litt, in ihr
Schlafzimmer und legte sie ins Bett. Man informierte den Fahrer des
Krankenwagens, der auch versprach, am „nächsten Tag“ vorbei zukommen und Frau
Lorenzen in ein Krankenhaus zu bringen.
Nach einer beschwerlichen Nacht kam
tatsächlich am nächsten Morgen der Transporter. An Bord lag schon ein
Verletzter. Beim Abfahren erkundigte sich der Fahrer noch nach dem Weg nach
Knorrlück, wo er noch einen dritten Patienten abholen sollte, bevor er endlich
die Fahrt nach Glücksburg antreten wollte.
Albertine Lorenzen war nun auf dem nicht
gerade komfortablen Weg von Stenderup über Knorrlück nach Glücksburg, als
Achims Mutter auffiel, dass die Oma bei aller Angst ohne Waschzeug losgefahren
war. Das war in der damaligen Zeit kein großes Problem: Achim setzte sich auf
sein Fahrrad und erreichte problemlos den Krankenwagen in Knorrlück, wo man
gerade dabei war, für den dritten Fahrgast ein wenig Platz zu schaffen.
Die Reise ging nach Glücksburg und dort in
das Hotel „Ruhetal“. Alle großen Hotels in Glücksburg und die
Landesfrauenschule waren damals zu Lazaretten umfunktioniert. „Tine“ wurde gut versorgt, und Achim sah bei einem
Besuch, dass das kranke Bein seiner Großmutter schräg zur Zimmerdecke hoch
stand und dass an ihrem Fuß ein dicker Stein hing, der den Bruch strecken
sollte.
Nach sechs Wochen war es soweit, dass die
Patientin entlassen werden konnte. Beim Schlachter Nikolaus Braack klingelte
das Telefon. Er erhielt vom Krankenhaus die Nachricht, dass man Albertine Lorenzen
soeben in die Bahn gesetzt hätte und dass man sie in etwa einer Stunde am
Bahnhof in Stenderup abholen könnte.
An drei Stellen gab es übrigens in dieser
Zeit in Stenderup ein Telefon, bei der Post, dem Schlachtermeister und beim
Oberbauernführer Friedrich Schmidt.
Nun war der Weg für die beinbehinderte
Heimkehrerin vom Stenderuper Bahnhof nach Goosend recht weit. Deshalb spannte
Anton Deerberg sein Pferd vor den Leiterwagen und holte mit diesem Gefährt
seine Nachbarin nach Hause.
Krankengymnastik oder Physiotherapie; wie
es heute heißt, gab es damals nicht. Bei der Krankenhausentlassung hatte der
Arzt angeordnet, dass Albertine täglich zehn Minuten um den Wohnzimmertisch
laufen sollte. Das tat sie auch, gestützt auf eine Krücke, und ihr Mann Heinrich,
der schon ein bisschen altersverwirrt war, zählte die Runden und Minuten und
gab nicht eher Ruhe, bis „Tine“ das
ganze Programm abgewickelt hatte.
An ihrem 80. Geburtstag vergaß sie morgens
vor lauter Aufregung, ihren Stock zu benutzen und hat ihn bis zu ihrem 94.
Lebensjahr auch nicht mehr herausgeholt.
Dr. Peter Lüsebrink
*Quelle: Achim und Elisabeth Lorenzen,
Stenderup
Das traurige Ende für
viele Familien In den Kriegsjahren ab und nach 1939 wurden viele Geltinger
Soldaten, so auch Pastor Wolfgang Miether, der sich freiwillig zum Militär
meldete. Auf diese Weise entging er dem Zugriff der „Geheimen Staatspolizei“.
Vertreten wurde er zunächst von Pastor Gottfriedsen und später von Pastor
Degenhardt. Sie hatten ein schweres Amt in der Kirchengemeinde zu führen. Die
vielen Meldungen über Gefallene brachten tiefes Leid über zahlreiche Familien,
immer wieder mussten Trauergottesdienste gehalten werden, tiefbetrübte Menschen
mussten getröstet und seelisch aufgerichtet werden.
In dieser Zeit wurden 64 Geltinger als vermisst gemeldet und 177
Mitbürger waren im Krieg gefallen. Viele Familien verloren gleich mehrere
Söhne, manche sogar alle ihre Kinder, in einigen Fällen kamen die Todes- oder
Vermißtenmeldungen innerhalb weniger Wochen und einige auch wenige Tage vor
oder nach Kriegsende.
Als einer der letzten fiel auch Pastor Miether, wenige Monate
vor Kriegsende, am 10. Februar 1945 in Schlesien.
Kurz darauf, im Mai 1945 zerfiel das Dritte Reich, doch die
Kirchengemeinde Gelting überlebte.
Sterblichkeit in Gelting während der Leibeigenschaft.
Der Schinder
Kirchendiebstahl in Gelting
Hochzeit und Heirat während der Leibeigenschaft in Gelting
Kirchenpfahl und Kirchenbuße in Gelting Das Geltinger Postwesen damals Die Kleinbahn in Gelting - Der Bahnhofsdienst Erinnerungen an das Kaufhaus Nord
Besonders unter den kleinen Kindern war die Sterblichkeit erschreckend groß. Es war viel, wenn von den Kindern nur der fünfte Teil das zehnte Lebensjahr erreichte.
So zeigen Statistiken aus dem Geltinger Archiv auch deutlich das ganze Elend auf, mit dem die Menschen um 1700 / 1800 zurechtkommen mussten.
In dem Zehnjahreszeitraum von 1770 bis 1779 gab es im Kirchspiel Gelting 576 Todesfälle. Allein 253 davon betrafen Kinder bis zu 9 Jahren, dies waren etwa 44 % der Gesamt-Todesfälle, eine heute unvorstellbare Anzahl. Neben 31 Todgeburten erlebten 99 Kinder noch nicht einmal die Vollendung des ersten Lebensjahres, 123 starben vor dem zehnten Lebensjahr. So ähnlich verliefen die folgenden Jahrzehnte, immer war der Anteil der verstorbenen Kinder deutlich höher als der der älteren Menschen im Kirchspiel. Erst ab etwa 1840 gleicht sich die Bilanz so langsam aus, die Anzahl der Todesfälle bei den Menschen ab dem 60. Lebensjahr übersteigt erstmals leicht die Anzahl der Sterbefälle bei Kindern.
Obwohl die Kindersterblichkeit Anfang 1900 für unsere heutigen Verhältnisse immer noch hoch ist, wendet sich das Blatt, nun liegt die Anzahl der Todesfälle älterer Menschen deutlich höher. Die Entwicklung der modernen Medizin zeigt ihre segensreiche Wirkung.
Sicherlich wurden Mitte 1700 auch viele Menschen fünfzig, sechzig oder manchmal auch siebzig Jahre alt aber eine weitere Statistik zeigt, dass das Durchschnittsalter bei rund 30 Jahren lag. In vielen Jahren lag das durchschnittliche Lebensalter darunter. Es gab sogar Jahre (z.B. 1777) in denen es bei kümmerlichen 19 Jahren lag. Dafür gesorgt hat zum einen die große Kindersterblichkeit zum anderen aber sicherlich auch viele tödliche Seuchen und Krankheiten, die damals nicht geheilt werden konnten, da es eine ärztliche Versorgung überhaupt nicht gab. Quacksalber und Scharlatane versuchten mit Zaubersprüchen und Ritualen den Menschen vergeblich zu helfen.
In dem Zeitraum von Januar 1798 bis August 1805 waren folgende Krankheiten die häufigste Todesursache im Kirchspiel Gelting:
Erst Anfang 1800 wurde erstmals ein Durchschnittsalter von 40 Jahren erreicht. Mit großen Schwankungen, wahrscheinlich unterbrochen durch Kriege und Epidemien setzte sich dieser Trend langsam fort. Ab Beginn 1900 wurde ein Durchschnittsalter von über 50 Jahren erreicht, das sich dann Jahrzehnte für Jahrzehnte auf das Niveau von heute (2000) bis auf 80 Jahre weiter entwickelte. An diesen Zahlen sieht man besonders deutlich, wie sehr die sich immer weiter entwickelnde moderne Medizin uns Menschen hilft gesund und fit alt zu werden.
Wolfgang Jonas
Der Aberglaube unter den Menschen spielte in den früheren Jahrhunderten eine außerordentlich große Rolle. Hiervon zeugt auch die ängstliche Scheu vor aller Berührung mit den sogenannten „Unehrlichen“ Leuten, wozu insbesondere auch die Abdecker, auch Schinder oder Racker genannt, gehörten. Der Schinder holte aus der Umgegend seines Dorfes die gestorbenen Pferde, Kühe, Schafe, Hunde, Katzen und andere Tiere auf seiner Karre ab. Er zog ihnen daheim die Haut ab und verscharrte sie dann. Dafür bekam er einen geringen Lohn.
Sein Geschäft aber war verachtet und er galt als „unehrlich“. Er durfte zu niemandem ins Haus kommen und niemand kam zu ihm, denn wer mit ihm in Berührung kam, wurde unrein und auch von der Gesellschaft der „ehrlichen“ Leute ausgeschlossen.
Wer dem Meister „Kaltschlachter“, so war sein amtlicher Titel, bei seiner Arbeit die geringste Handreichung tat, ward auch unehrlich und musste sein Leben lang ein Schinder bleiben. Ja, wenn jemand gestohlen, geraubt oder ein anderes schweres Verbrechen begangen hatte und von der Obrigkeit verfolgt wurde, so hatte er sofort vor jeder weiteren Verfolgung Ruhe, wenn er nur einen Schinder erreichen und dessen Arbeit mit machen konnte. Er war dann genug gestraft und aus der menschlichen Gesellschaft ausgeschlossen.
Selbst in der Kirche durfte er nicht unter den anderen Kirchenbesuchern sitzen sondern hatte seinen eigenen, abgekleideten Stand, wo niemand ihn sehen konnte. Der Schinder musste durch eine eigene Tür, die Schindertür, wo man eine solche gebaut hatte, ein- und ausgehen. Diese Tür befand sich meistens an der Hinterseite, dem Kircheneingang gegenüber auf der Nordseite der Kirche. Man konnte die Schinder zwar von der menschlichen Gesellschaft ausschließen aber man durfte sie nicht aus der Kirche und vom Gottesdienst verdrängen. Doch wollte man nicht, dass sie mit den „ehrlichen“ Leuten ein- und ausgingen und unter diesen säßen, weil jede Berührung mit ihnen auch die anderen „unrein“ machte. Als dann später dieser finstere Aberglaube wich und die Schinder für „ehrlich“ erklärt wurden, brach man in den Kirchen die Schinderstühle weg und vermauerte die Tür dazu.
Ob auch in der Kirche in Gelting solch eine Schindertür vorhanden war, kann man nicht mehr mit Sicherheit feststellen aber in der alten Düttebüller Gruft ist eine Tür erkenntlich gewesen, deren Türkrücken noch vorhanden waren. Diese Tür war zu gemauert, hatte aber seine Öffnung zu der jetzigen Gruft vordem gehabt.
Der Schinder und seine Familie führten ein einsames, grausames Leben, die größte Not aber kam für die Familie, wenn er oder ein Familienmitglied gestorben war. Die Leiche konnte wohl einen Platz an der Kirchhofsmauer bekommen aber jedermann scheute sich, diese dort hin zu bringen. Niemand verlieh ein Fuhrwerk zu der Beerdigung oder leistete sonst wie Hilfe. Oft blieb nichts anderes übrig als die Beerdigung am eigenen Hause im Garten vorzunehmen.
Erst nachdem sich einige Schinder bei der Obrigkeit über diese Zustände beschwerten, verordnete der König im 17. Jahrhundert, dass alle Schinder im Land samt und sonders als ehrliche Leute anzusehen und zu behandeln seien.
Seitdem heißt es, seien die Schinder „ehrlich“ geworden.
*Quellen: Callsen, Heimat 1897, Angeln von 1922, neu bearbeitet von Martensen, Henningsen, Unterlagen Archiv Gelting
Anfang Oktober 1694 wurden aus der Kirche zu Gelting Altarschmuck, ein silberner Kelch inwendig vergoldet, Oblatenteller, Silberfransen und Besatz vom Messgewand gestohlen.
Nach einem vorliegenden Schreiben vom 16.10. 1694 aus Husum, hatte man den Dieb dort verhaftet aber das gestohlene Gut war zerbrochen und hatte ein Gewicht von 60 Lot (1 Lot = etwa 15g).
Der Bürgermeister von Husum, ein Herr Timmus, schrieb daher an den Junker Joachim von Ahlefeldt, der Patron der Geltinger Kirche war, dass er den Dieb mit Namen Thomas Jensen aus Schonen in Haft genommen hatte, ihm auch das Diebesgut abgenommen, nun aber die Unkosten erstattet haben wollte. Gleichzeitig bat er Herrn von Ahlefeldt um einen Entscheid über das weitere Verbleiben des Diebes.
Der Patron zu Gelting , „Ambtmann und Landrath zu Cismar“ und Inhaber der „Gerechtsamkeit“, beauftragte seinen Verwalter August Thein, nach Husum zu reisen und „bey einem hohen Rath“ vorstellig zu werden und die Sachen ausliefern zu lassen.
Wie der Verwalter von Gelting nun bei dem Bürgermeister Tinnus vorstellig wurde und ihm die Frage stellte, „weshalb denn der Dieb noch nicht gehangen wäre“, bekam der die Antwort, dass der Scharfrichter „tot sei“ und man hätte dieses Amt noch nicht wieder besetzen können wegen Mangels eines „tüchtigen Bewerbers!“ und wegen der entstehenden Unkosten müsse die Durchführung unterbleiben. Der Verwalter könne jedoch den Dieb mitnehmen und mit ihm „nach Gebühr“ verfahren.
Vor allem wollte der Bürgermeister Timmus aus Husum seine Unkosten erstattet haben und ausserdem hatte er an diesem Tag auch keine Zeit mehr, zu verhandeln. August Thein sollte am nächsten Morgen wieder kommen, dann würde der „gesambte Hohe Rath“ einen Beschluss in dieser Sache vorlegen.
Während der Verhandlungen am anderen Morgen stellte sich heraus, dass der Dieb in der verflossenen Nacht entflohen war. Nun war guter Rat teuer und Verwalter August Thein konnte feststellen, dass man den Dieb schlecht bewacht und mangelhaft eingesperrt hatte. Auch hatte man nur einen Fuß des Diebes angeschlossen!
Der Rath von Husum händigte daraufhin dem Verwalter nach langem hin- und her Reden das Diebesgut aus, ermahnte ihn jedoch, bei „Seiner Exellenz dem Herrn Ambtmann“, erneut vorstellig zu werden, um die entstandenen Unkosten dem Bürgermeister von Husum doch zu erstatten.
Mit den 60 Lot Silber musste nun August Thein abreisen. Der Herr Ambtmann aber wartete vergeblich auf das erwartete Geld hatte doch der Patron von Gelting keine Unkosten erstattet.
In Husum hatte man nun aber festgestellt, dass der Kirchendieb Thomas Jensen seine Sache verstand, hatte er doch auch in einer Kirche zu Eiderstedt 200 Rthl. gestohlen. Eigentlich war man in Husum recht froh über seine gelungene Flucht, denn das Aufhängen kostete immerhin Geld.
Anzunehmen ist, dass Thomas Jensen seinem Kerkermeister etwas von dem „Eiderstedter Geld“ hat zukommen lassen damit er in die Freiheit gehen konnte.
– Ein rechtes Bild der damaligen Justiz!
*Quelle: Archiv Gelting
Aufgeschrieben im Juli 2011 von Wolfgang Jonas
Wolfgang Jonas
Die Leibeigenen des adligen Gutes Gelting durften, wie auf allen Gütern, nicht ohne die Zustimmung des Gutsherren heiraten.
Der Gutsherr von Gelting war Vormund, Anwalt und Richter der Leibeigenen zugleich und vermittels dieses Zustimmungsrechts betrieb er eine regelrechte Bevölkerungspolitik. In der Regel ging man davon aus, dass der alleinige Zweck der Leibeigenen der sei, den Hof mit den erforderlichen Arbeitskräften zu versorgen. Jeder Leibeigene war sowohl verpflichtet als auch berechtigt, auf dem Gute zu bleiben, z.B. wenn er aus Altersgründen seine Arbeit auf dem Hof nicht mehr verrichten konnte. Er fiel dann dem Gutsherrn als Gutsarmer zur Last und mußte von diesem bis ans Lebensende versorgt werden.
Für die Verpflichtung, ewig auf dem Gut zu bleiben und dort seine Dienste zu tun, gab es in einigen Fällen aber Ausnahmen. Wenn sich Leibeigene verschiedener Güter kennen und lieben lernten, hatten die jeweiligen Gutsherren oft große Probleme mit der Zustimmung zur Heirat, denn die zukünftigen Eheleute mussten nun einem der beiden Güter zur Verfügung stehen.
Über solch einen Fall berichten Archivunterlagen und Aufzeichnungen aus dem Jahre 1682, die über Streitigkeiten des Pastors Paul Gerhard Walther mit dem Patron von Gelting, Herrn von Ahlefeldt berichten.
In einem Brief Pastor Walthers vom 28. Dezember 1682 an den Herrn Patron steht sinngemäß folgendes geschrieben:
Eingangs wünscht er dem Patron für das neue Jahr alles Gute. Dann aber beschwert er sich über den Geltinger Verwalter, der die Magd Stienke Michelsen aus Stenderup, welche mit Johann Kortsen in Wormshöft „ehlig eingelassen“ schlecht behandelt habe. Er habe ihr keine Viertelstunde Bedenkzeit gegeben, vielmehr hatte er sie schleunigst gezwungen unter Androhung des härtesten Gefängnisses, sich ihrem Bräutigam gänzlich zu entsagen.
Pastor Walther nimmt an, dass der Kammerherr dieses unmöglich befohlen haben kann, da die Brautleute schon vor sechs Jahren verlobt worden seien und niemand etwas dagegen einzuwenden gehabt habe. Man habe vier Jahre zu ihrem Freien geschwiegen, Braut und Bräutigam hätten sich die Ehe versprochen und die Brautleute wären einander im Herzen verbunden.
Der Ehe stände also nichts mehr im Wege, er, Pastor Walther, könne sich auch nicht vorstellen, dass der Kammerherr deswegen sein Gewissen beschweren wolle, welches aber bestimmt geschehen werde, wenn er die Erlaubnis nicht erteile. Da aber die Oeher Herrin die Schwester des Kammerherren sei, müsste eine gütliche Regelung doch möglich sein.
Das ungebührliche Benehmen des Verwalters möge er aber schärfstens ahnden, dass er sich inskünftig nicht unterstehe, über die Gewissen der Menschen zu herrschen, gleich wie über deren Leiber und nicht mehr die Gewalt, so Gott und seiner Kirche zukäme, an sich zu reißen.
Einen gleichen Brief hat Pastor Walther auch an den Generalsuperintendenten geschrieben. Im gleichen Sinne verwendet sich auch der Generalsuperintendent Sebastian Nieman für das oben genannte Paar.
In einem Brief vom 7. Januar 1683 des Herrn von Ahlefeldt an den Generalsuperintendenten verteidigt er seinen Verwalter und glaubt nicht, dass er so harte Strafen angewendet habe. Er steht weiter auf dem Standpunkt, dass er sein Recht behaupten könne, doch will er dem Wunsch des Generalsuperintendenten entgegen kommen (Leider ist der Brief sehr unleserlich!)
Ein Brief vom 24. Januar 1683 ist ebenfalls sehr unleserlich und scheinbar vom Verwalter an seinen Dienstherren geschrieben. Er zeigt außer wirtschaftlichen Dingen an, dass der Pastor Walther kurz vor Weihnachten eine sehr „ungnädige“ (harte) Predigt so nicht zu verantworten stehet.
In einem weiteren Brief der Schwester des Kammerherren in Oehe, erklärt diese sich bereit, ihrem Bruder einen Ersatz für das nach Oehe sich verheiratende Mädchen zu geben. Sie bietet ihm einen guten Knecht und ei n junges Pferd dafür.
Die Ehe schien zwischen den beiden dann doch noch genehmigt worden zu sein, doch ist kein diesbezügliches Schreiben in den Akten vorhanden.
*Quelle: Archivunterlagen
Wolfgang Jonas
Wer sich in den Zeiten bis etwa 1732 in Gelting wegen sittlicher und kirchlicher Vergehen strafbar machte, musste, je nach Schweregrad des Vergehens damit rechnen, an den Kirchenpfahl angeschlossen zu werden. Dieser war mit einem Pranger zu vergleichen, wie er damals vielerorts vorhanden war.
Dieser Kirchenpfahl findet sich auch in der Kirchenrechnung wieder, wo die Beschaffung eines Balkens hierfür aufgezeichnet ist.
Auf der Seite 85 des Geltinger Kirchenrechnungsbuches aus dem Jahr 1659 befindet sich nachfolgende Aufzeichnung:
„Hoc anno postridie femiarum pentecostalium Sancta in Sacro diaconatus agro extructa est justitia“
Was in der deutschen Übersetzung sinngemäß heißt:
In diesem Jahre, am Tage nach den Pfingstfeiertagen ist (die) heilige Gerechtigkeit auf dem heiligen Acker des Diaconats errichtet.“
Hiermit ist der Kirchenpfahl in Gelting bezeichnet. Der Kirchenpfahl war die härteste Strafe der Kirchenbuße. Sie war eine Mischung aus Staats- und Kirchenrecht und es war sehr bedauerlich, dass die Kirche sich an der Errichtung des Kirchenpfahls beteiligt hat.
Nach der heutigen Auffassung wäre die Urteilsvollstreckung am Pfahl eine Sache des Gutsherrn gewesen, der in Gelting der Gerichtsherr war.
Die Kirchenbuße wurde wegen sittlicher und kirchlicher Vergehen in verschiedener Schärfe verhängt. Zu diesen Vergehen gehörten damals die Unzucht und der Ehebruch. Die schwerste Strafe war die Anschließung an den Kirchenpfahl mit anschließender Altarbuße. Der Kirchenpfahl war ein aufrecht stehender Balken und ein eiserner Halsring, der mit einer Kette an dem Pfahl befestigt war. Ein solcher war auch am Turm beim Geltinger Schloss vorhanden.
Die Altarbuße wurde derartig vollzogen, dass der Büßende vor den Altar treten und hier öffentliche Abbitte (Deprekation) tun musste. Die Altarbuße wurde allein für sich vollzogen
Gegen unsittliche Vergehen und für die Einhaltung der Ordnung waren auf dem Gut die „Zweimänner“ bestellt, die als „Wröger“ bezeichnet wurden. Sie hatten auch die Aufgabe, bei den Gottesdiensten für Ruhe und Ordnung zu sorgen.
Durch eine königliche Verordnung vom 12. August 1732 wurde die Strafe am Kirchenpfahl aufgehoben, die Kirchenbuße wurde ab dem Jahr in Form von Geld- und Gefängnisstrafen vollzogen. Erst 1857, während der dänischen Herrschaft, wurde sie in auch in dieser Form endgültig abgeschafft.
In einer Verordnung wegen der Aufhebung der Kirchenbuße heißt es:
„ dass man den geringen Nutzen der Kirchenbuße verspüret habe, die Unzucht aber nicht gebessert, vielmehr Missbrauch und Ärgernis in der Gemeinde erzielet worden sei.“
In dem Paragraph 2 heißt es dann:
„Doch müssen diejenigen, die sich des Lasters der Unzucht oder eines Ehebruchs schuldig gemachet haben, oder dergleichen Verbrechen in der Folge begehen möchten, anstatt der Kirchenbusse sich einer achttägigen Gefängnisstrafe „bey Wasser und Brod“ unterwerfen, oder wenn sie von derselben befreyet bleiben wollen, die in solchen Fällen gewöhnliche Jura mit Drey und Zwanzig Reichstahler 40 Lsl. (Lübekerschillinge) D. Cronen an unsere Deutsche Cantzeley einsenden und über den Empfang eine nach der üblichen Form eingerichtete Quittung bey ihr auswirken.“
In dem Paragraph 8 ist unter anderem erwähnt:
„dass durch Verordnung vom 12. August 1732 wegen der öffentlichen Kirchenbuße und der verschiedenen Grade derselben ergangenen Verordnung gäntzlich, also auch namentlich in Ansehung der Bestrafung mit dem Kirchenpfahl, die sich in gewissen Fällen mit der öffentlichen Kirchenbuße vor dem Altar verbindet, aufgehoben seyn. Wegen gewisser sittlicher Vergehen blieb ein Geldstrafe von 2 Reichsthalern, die an die Kirche des Ortes gingen, aber bestehen.“
Doch auch schon 1767 war eine Veränderung wegen der Strafen eingetreten. Damals wurde eine Geldstrafe von 10 Reichsthalern verhängt.
Endgültig außer Kraft gesetzt ist die Kirchenbuße in der Form der Geld- und Gefängnisstrafen erst 1857 während der dänischen Herrschaft .
*Quellen: Archiv Gelting
Martin Otzen erzählt über das Geltinger Postwesen von damals
Seine Postlaufbahn begann Otzen am 1. Juni 1893 in Rundhof, wo die nächste Postagentur war. Auf eigenen Antrag kam er ein halbes Jahr später, am 1. Januar 1894 als Oberbriefträger nach Gelting. Seinem Wunsch entsprechend wurde er am 1. April 1901 als Landbriefträger eingesetzt. Am 25. Mai 1907 wurde er Postschaffner und am 1. April 1920 Oberpostschaffner. Im Zuge des allgemeinen Beamtenabbaus gemäß dem Versailler Vertrag wurde er am 1. Februar 1924 mit der Bezeichnung „Postbetriebsassistent a.D.“ in den Ruhestand versetzt.
Hier sein Kurzbericht über das Postzustellwesen in Gelting und Suterballig:
Gelting-Suterballig war damals in zwei Ortszustellbezirke eingeteilt.
Zum ersten Bezirk gehörten die Häuser vom Postamt bis zum Schloss Gelting einschließlich der Schmiedestrasse.
Der andere Bezirk schloß den Ort vom Postamt bis zur Geltinger Mühle sowie Tükedamm und Klein-Gaarwang ein. Dazu kamen acht Landzustellbezirke. Die Grenzen des Geltinger Zustellbezirks waren:
im Osten die Ostsee von Falshöft bis Kronsgaard
im Süden Güholz, Knorr und Priesholzmühle
im Westen Regelsrott und Bonsberg.Hunhoi
und im Norden Gammellück, Düstnishy, Grahlenstein, Nordschau und Beveroe.
Die Kleinbahn war zu der Zeit Zubringer und Abholer der Postsachen.
Morgens um 7 Uhr kam ein Briefbeutel aus Kappeln, der vom Betriebspersonal des Zuges an die Postbeamten ausgeliefert wurde.
Um 9 Uhr kam die „Schaffnerpost“ Flensburg-Kappeln; sie war für Gelting der Hauptzubringer für Postsachen.
Um 11 Uhr brachte dieser Zug auf dem Rückweg nach Flensburg erneut Post von Kappeln.
Um 13.30 Uhr wurde dem Bahnpersonal ein Briefbeutel von Gelting nach Flensburg mitgegeben.
Um 15 Uhr kam wieder Schaffnerpost von Flensburg
Und um 18 Uhr kam der gleiche Zug wieder mit Post von Kappeln zurück.
Dieser hatte auch den „Schlei-Boten“ mit. Die Zeitung wurde entweder abends beim Postamt abgeholt oder am nächsten Morgen mit der Post zugestellt. Sie war damals mit 400 Exemplaren die meistgelesene Zeitung im Geltinger Bezirk. Die Zustellung der Postsachen erfolgte damals im Ort täglich dreimal, in den Landbezirken zweimal, abgelegene Stellen erhielten allerdings nur einmal am Tag ihre Post.
Martin Otzen stammt aus Gammellück bei Wackerballig. Schon sein Vater war Landbriefträger, zugleich aber auch Schneider, denn die Einnahmen als Beamter waren damals sehr niedrig und ein lohnender Nebenverdienst dringend nötig.
Wolfgang Jonas
*Quelle: Flensburger Tageblatt von 1969
Auf den großen Stationen der Kleinbahnstrecke Flensburg - Kappeln wurden die Arbeiten am und um die jeweiligen Bahnhof herum von Beamten der Staatsbahn erledigt, die teilweise unterstützt wurden durch Arbeiter und weitere Hilskräfte.
Auf allen übrigen Stationen wurde der Bahnhofsdienst vom jeweiligen Gastwirt mit versehen, so auch in Gelting.
Gastwirt Lorenzen in Gelting war wie alle seine weiteren Kollegen an den Haltestationen Beamter im Nebendienst und auf seiner Station mit der Expedition von Gütern und Gepäck und dem Fahrkartenverkauf beauftragt. Zugleich war er vereidigter Bahnpolizeibeamter.
Dieses System war von vornherein so geplant und allein möglich, denn Kosten für die Herstellung von 22 Bahnhofsgebäuden und deren Besetzung mit hauptamtlichen Beamten und Arbeitern hätten jede Rentabilität in Frage gestellt. Nur so ist auch die große Anzahl von Haltestellen möglich gewesen. Während des Aufenthaltes eines Zuges auf der Station war der Zugführer für den äußeren Bahnhofsdienst und die planmäßige Zugexpedition der verantwortliche Beamte.
Der Gastwirt Lorenzen hatte in Gelting vertraglich die Einrichtung eines Warteraums 2. und 3. Klasse, eines Packraums mit Dezimalwaage und Toiletten einschließlich Beleuchtung, Heizung und Reinigung zu übernehmen. Dazu gehörte auch die Beleuchtung des Perron und der Weichen. Im Außendienst hatte er Signale zu geben, Weichen zu stellen, Güter ein- und auszuladen und einiges mehr. Als Dienstabzeichen trug er eine rote Mütze und erhielt als Entschädigung 5,0 % der Gütereinnahmen, mindestens 30 Mark, jedoch nicht mehr als 200 Mark jährlich. Nicht gerade viel, sollte man meinen. Bei der großen Anzahl dieser Stellen trug die Bahn jedoch nicht mehr Kosten und der Vorteil der Gastwirte lag dann auch im größeren Umsatz der Gastwirtschaft selber.
Wolfgang Jonas
Quellen: Unterlagen aus dem Amtsarchiv Bezirk Gelting
Am 2.11.1976 verstarb der am 30.03.1890 geborene Detlef Callsen, Geltings wohl bekanntestes Original.
Bevor ihn zuletzt seine Angehörigen nach Wagersrott holten, lebte er im Kirchspiel Gelting in einer Kate ohne Wasser und Licht unter primitivsten Umständen. Die Kate lag nördlich von Falshöft direkt hinter dem Ostseedeich einsam und verlassen, kein weiteres Haus stand in der Nähe. Die 1969 abgebrannte Birkkate, umsäumt von einem Eichenkratt, spielt eine wichtige Rolle in dem vom Heimatdichter Georg Asmussen geschriebenen Roman „Stürme“, in dem die große Sturmflut von 1872 beschrieben wird.
Der kauzige Einzelgänger Detlef Callsen betrieb in den 50er und 60er Jahren laut Eigenwerbung das „nördlichste Kaufhaus Deutschlands“ (Flensburg nicht mitgerechnet) und bereiste per Fahrrad den gesamten Ostangelner Raum, um Kurzwaren anzubieten.
Detlef Callsen vor seiner Birkkate
„Obwohl er unter einfachsten Umständen sein Leben führte, mußte man ihn nicht bemitleiden“, sagte Pastor Bienengräber bei der Beerdigung, „eher hat er die normalen Bürger bemitleidet, die von Haus und Auto, von Fernseher und Waschmaschine abhängig waren.“Detlef Callsen war völlig unabhängig und frei. Geboren in Nieby, betrieb er zunächst einen Hof zusammen mit seinem Bruder. Er war verheiratet, sieben Kinder entstammten der Ehe. Als er den Hof aufgegeben hatte, seine Frau 1961 gestorben war, und die Kinder erwachsen und aus dem Haus waren, da wurde er erst „Detlef“ das Original, das man in Gelting, in Angeln und teilweise auch in Schwansen kannte. Er wohnte lange in der Birkkate, nah dem Strand bei Falshöft, deren einsame und schöne Lage er mochte und die er erst verließ, als sie ihm fast über dem Kopf zusammenfiel.
Detlef auf seiner täglichen Tour
„Detlef von der Birk“ war mehr als ein Mann, er war ein Begriff, er war ein Original. Tag für Tag zog es ihn hinaus in die Dörfer und besonders nach Gelting. Er hatte viel Zeit und diese Zeit nutzte er auch dazu um auf seinem Weg die verstreut liegenden Bauernhöfe zu besuchen. Er wurde eine Art fliegender Händler, der seinen ganzen Kram, von der Postkarte bis zur Nähnadel, an einem alten Fahrrad hängend vor sich herschob. Das Unternehmen nannten die Geltinger dann „Kaufhaus Nord“.
War er damit unterwegs, dann kehrte er hinter manchem nicht so sehr einzusehenden Knick ein, wo er eine „Flasche zur Stärkung“ versteckt hielt.Das phänomenale Gedächtnis, das war die andere Seite von Detlef. Er kannte alle eingesessenen Familien, er kannte die Geburtstage, Tauf- und Konfirmationsdaten, Hochzeitstage und Todestage und er nannte auch sofort die Wochentage dazu. Als ihm jemand seinen Geburtstag im Jahre 1918 nannte und ihn fragte, was das wohl für ein Wochentag gewesen sei, sagte er wie aus der Pistole geschossen, das sei ein Sonntag gewesen, und da habe er, Detlef, im Krieg in Frankreich im Schlamm gelegen und den Angriff der Franzosen abgewehrt.
So war es oftmals kein Wunder, wenn er gerade zu Geburtstagen und Familienfesten auf den Bauernhöfen mit seiner Ware aufkreuzte. Manch einer Hausfrau half er mit seinen Kleinigkeiten, die er in einem bunten Durcheinander in einer Milchkanne, im Rucksack und in Taschen verstaut hatte, aus der Klemme. Detlef hatte alles, ob es nun Zwirn, Nähnadeln, Knöpfe, Gummiband oder Postkarten waren.